Das Geheimnis hinter natürlich wirkenden, hochaufgelösten Astro-Bildern

"Sogar das Hubble Space Telescope Team
der NASA und ESA nutzt APF-R"

Christoph Kaltseis ist Photoshop Experte und ein erfahrener Astro-Fotograf. In den vergangenen Jahren hat er mit APF‑R (Absolute Point of Focus) einen innovativen Bildschärfungsprozess in Photoshop entwickelt, der in der Fachwelt auf großes Interesse gestoßen ist. Das Team des Hubble Space Telescope nutzt sein Verfahren bereits seit über 2 Jahren. Jetzt haben wir für Christophs komplexes Verfahren, das leicht zu bedienende APF‑R Plugin für Photoshop entwickelt. Das Tool schärft Bilder mittels APF‑R und ist ohne großes Vorwissen mit nur wenigen Klicks zu bedienen. Selbst den hohen Qualitätsstandards in der Astrofotografie hat das Plugin mit seiner Power schon vielfach standgehalten. Heute erzählt Christoph über seine Erfahrung in der Astro-Fotografie und verrät die Tricks, mit denen er aus seinen atemberaubenden Bildern auch die feinsten Details herauskitzelt.


PI: Hallo Christoph, du bist schon viele Jahre in der Fotowelt unterwegs, hast dir einen Namen als Astro-Fotograf gemacht, arbeitest als Ambassador für namhafte Unternehmen und hast viele interessante Themen in der Branche angestoßen. Wie kam es dazu?
Christoph: Im Alter von 5-6 Jahren hat mich der Weltraum durch die Serie „Unser Kosmos“ in seinen Bann gezogen. Als ich das Buch zur Serie bekommen habe, haben mich die Bilder so nachhaltig fasziniert, dass in mir der Wunsch aufkam, so etwas auch mal machen zu wollen. Seither bin ich nicht mehr davon losgekommen.

PI: Du scheinst deine Berufung gefunden zu haben. Deine Astro-Bilder sind sehr erfolgreich und wurden schon des öfteren zum "Astronomy Picture of the Day" gekürt. Davon hast du uns mehrere mitgebracht. Was zeigt das erste?
Christoph: Das Foto zeigt die Spiralgalaxie M101, die innerhalb der Grenzen des nördlichen Sternbildes Ursa Major, etwa 23 Millionen Lichtjahre entfernt liegt. Mit einem Durchmesser von etwa 170.000 Lichtjahren ist diese Galaxie nicht nur wunderschön sondern auch riesig; fast doppelt so groß wie unsere eigene Milchstraße. Neben M101 sehen wir auf dem Bild außerdem weiter entfernte Hintergrundgalaxien, Vordergrundsterne innerhalb der Milchstraße und die begleitende Zwerggalaxie NGC 5474, die unten rechts zu sehen ist. Die Farben der Milchstraßensterne finden sich auch im Sternenlicht des großen Inseluniversums wieder. In seinem Kern dominiert das Licht von kühlen, gelblichen Sternen. Entlang seiner großartig gestalteten Spiralarme sind die blauen Farben heißerer, junger Sterne gemischt mit verdeckenden Staubspuren und rosafarbenen Sternentstehungsgebieten.

PI: Bei bis zu 45.000 Bildeinsendungen täglich wurde auch das folgende Bild von dir zum "Astronomy Picture of the Day". Was macht es so besonders?
Christoph: Die Population gut gemessener, veränderlicher Sterne von M33 hat dazu beigetragen, diese nahe gelegene Spirale zu einem kosmischen Maßstab für die Bestimmung der Entfernungsskala des Universums zu machen. M33 wird vom kleinen, nördlichen Sternbild Triangulum beherbergt und liegt etwa 3 Millionen Lichtjahre von unserer Milchstraße entfernt. Mit einem Durchmesser von über 50.000 Lichtjahren ist sie die drittgrößte Galaxie der lokalen Gruppe nach der Andromedagalaxie und unserer eigenen Milchstraße. Dieses scharfe Bild zeigt die blauen Sternhaufen und die rosafarbenen Sternentstehungsgebiete entlang der locker gewundenen Spiralarme der Galaxie. Auf der 7-Uhr-Position vom Zentrum von M33 ist außerdem die hellste Sternentstehungsregion NGC 604 zu erkennen.

PI: Mit welchem Equipment hast du diese Fotos aufgenommen?
Christoph: Für die Aufnahme von M 101 habe ich den Celestron RASA 36cm 792mm f2.2 verwendet und für das Foto von M 33 das PlaneWave CDK 14 2536mm f7.2. Die beiden zählen auch zu meinen absoluten Lieblingen.

PI: Damit liegst du schon im absoluten Profibereich. Seit wann beschäftigst du dich professionell mit der Astro-Fotografie?
Christoph: Das Thema Astronomie war seit meiner Kindheit nie weg. 2015 habe ich über den Händler Baader Planetarium begonnen Hightech Mounts von 10Micron zu verwenden. Ich wurde darin richtig gut und quasi zum Ambassador. So konnte ich mit der Celestron Optik bei fast 4000mm Brennweite arbeiten, bei der die Montierung die ganze Arbeit für den Ausgleich der Erdrotation erledigt. Danach kamen immer mehr Optiken dazu. Durch die Beschäftigung mit dem Thema, habe ich mich auch intensiv mit den RAW Bilddaten und dem Spezialformat FITS beschäftig und eine eigene Schärferoutine in Photoshop entwickelt. Denn die Ruhe der Luft ist nicht immer so konstant, dass die Oversampling Zahl zwischen Pixel Auflösung und Luftruhe passte. Hier hab ich dann im Laufe der Zeit angefangen in Photoshop zu entwickeln. Ich habe einfach immer Lust neue Dinge zu probieren und grabe mich dann richtig hinein.

PI: Dabei ist dein ausgeklügelter Bildschärfungsprozess APF-R entstanden. Was ist die Idee dahinter?
Christoph: Die Idee ist durch einen Kunden entstanden. Es wurde etwas gebraucht, um bei Unschärfen die Werte wieder zurückzuschieben. Daraus ist APF-R entstanden; im Grunde nichts anderes als eine Zwiebelschale. Durch den Ebenenradius, den ich erzeuge und subtrahiere, schäle ich immer mehr vom Bild heraus. Mit dem Verfahren erhalte ich eine bessere Punktdefinition von Helligkeit und damit auch eine bessere Schärfe. Durch die bessere Punktdefinition kann sich das Auge außerdem besser orientieren und das Bild sieht räumlicher aus. Ich möchte die Leute dazu animieren, darüber nachzudenken, was sie überhaupt sehen. Wenn das klar ist, passiert der Rest von ganz alleine. Außerdem reizen mich die Möglichkeiten, dieses Thema zu automatisieren, da es auch genutzt werden kann, um schnelle Überprüfungen zu machen; zum Beispiel in der Feinmechanik. Ich sehe da viele Einsatzgebiete für dieses kleine, nette Werkzeug. Egal um was für ein Bild es sich handelt, wenn die Daten vorhanden sind, wird APF-R mehr herausholen können. Den Orion Nebel habe ich mit einer Mono Kamera (QHY 600 Pro -M) in R/G/B als HDR Datensatz am Chip aufgenommen. In Summe wurden nur 57 Minuten belichtet bei 620mm Brennweite mit f2.2.

PI: Wann hast du das erste Mal öffentlich über APF-R gesprochen?
Christoph: Ich bin Mitbegründer der Central European Deepsky Imaging Conference, die seit 2009 regelmäßig alle 2 Jahre in Linz stattfindet. Dort habe ich 2015 das erste Mal über das APF-R Verfahren gesprochen. Im Anschluss an die Konferenz habe ich meine Methode an das Hubble Space Telescope Team geschickt. Für die Leute von NASA und ESA klang es zu schön, um wahr zu sein. Ich hab mich riesig gefreut, als APF-R dort für die Publikation anlässlich des 28. Jahrestages zum ersten Mal getestet wurde. Zwar hat sich das Team dann bei diesem Bild für eine andere Methode entschieden, aber mittlerweile hat sich APF-R dort fest etabliert und wird regelmäßig angewendet. Soweit ich weiß, wurde APF-R zuletzt für das "Bild der Woche" "Return to the Veil Nebula" vom 29.03.2021 verwendet. Der Schleiernebel ist ein beliebtes Motiv für Hubble-Bilder und war bereits in einer früheren Veröffentlichung zu sehen. Der Schleiernebel ist der sichtbare Teil der nahen Cygnus-Schleife, einem Supernova-Überrest, der vor etwa 10 000 Jahren durch den Tod eines massereichen Sterns entstand. Der Vorgängerstern des Schleiernebels, der die 20-fache Masse der Sonne hatte, lebte schnell, starb jung und beendete sein Leben in einer kataklysmischen Energiefreisetzung. Trotz dieser stellaren Gewalt formten die Schockwellen und Trümmer der Supernova das zarte Netz aus ionisiertem Gas im Schleiernebel und schufen so eine Szene von überraschender astronomischer Schönheit. Durch die Anwendung von APF-R auf dieser Aufnahme, sind die Details der Emissionen von doppelt ionisiertem Sauerstoff (hier in Blau zu sehen), ionisiertem Wasserstoff und ionisiertem Stickstoff (hier in Rot zu sehen) jetzt erheblich besser zu erkennen.

PI: 2018 warst du dann im Hubble Space Telescope Büro in München vor Ort. Was konntest du von deinem Besuch dort mitnehmen?
Christoph: Nun, nach der Publikation für die APF-R verwendet wurde, musste ich einfach mit dem Team sprechen. Dort ist Photoshop im Einsatz und ich habe einen tiefen Einblick in deren Prozesse erhalten und viel über verschiedene Bildgewinnungsmethoden erfahren. Das Team sucht ständig nach Perspektiven rund um die Frage, wie Prozesse verbessert werden können. Das ist auch meine Herangehensweise.

PI: Was hat dich letztendlich dazu bewegt das APF-R Verfahren automatisieren zu wollen? Du beschäftigst dich seit deiner Jugend mit dem Thema Fotografie, 2006 wurdest du von Adobe zum "Best Newcomer" ausgezeichnet und steckst spätestens seitdem tief in der Adobe Welt drin. Ist dein eigenes Photoshop Plugin die logische Schlussfolgerung?
Christoph: Von Mahdi Zamani aus dem ESA Hubble Space Telescope Team, habe ich die Rückmeldung bekommen, dass er APF-R an einem HST-Mosaik ausprobiert hat und es etwa um 30 % besser funktioniert, als alle anderen Techniken, die sie zur Schärfung von Mitteltönen bis hin zu den Schatten getestet haben. Manuell sind in Photoshop bis zu 50 Arbeitsschritte durchzuführen, um Ebenen zu erzeugen und zu subtrahieren, dabei müssen die Radien immer wieder mit dem Taschenrechner berechnet werden. Das Ganze endet dann in zig verschachtelten Ebenen, wovon man - um Ergebnisse zu vergleichen - oft auch mehrere Einstellungen gleichzeitig ändern muss. Es ist also eine sehr zeitintensive und komplexe Angelegenheit. Andere würden dazu vielleicht „nerdy“ sagen. APF-R ist wirklich leistungsstark, was mittlerweile von unterschiedlichen Experten auf ihrem Gebiet bewiesen wurde. Deswegen würde ich es eher als eine glückliche Fügung bezeichnen, dass wir uns zu einer Kooperation zusammengeschlossen haben, um APF-R durch ein Plugin zu vereinfachen. Denn du wirst aus jedem Bild mit APF-R immer noch etwas mehr rausholen können. Durch die einfache und schnelle Handhabung des Plugins ergibt sich jetzt sowohl für Amateure, als auch für Profis, die Möglichkeit das APF-R Verfahren auf alle Bilder anzuwenden und das freut mich sehr.

PI: Du bewegst dich auf einem professionell sehr hohem Niveau, aber was ist mit einer Hobbyausrüstung möglich?
Christoph: Ich muss zugeben, dass ich sehr viele meiner Arbeiten von zu Hause aus machen kann. Von daher geht vieles einfacher, als ständig zu sehr guten „Dark Sky“ Plätzen um die Welt zu reisen. Bei NGC 2841 bin ich mit Hobbyausrüstung ganz nah dran gekommen. Für Europa ist das eines der besten langzeitgemessenen Seeings, das ich kenne. Ich habe es aber noch nicht veröffentlicht. Das Bild war ein Hardware Test für eine neue Kamera mit gekühltem Sony BSI Chip, die mit einem Monochrom Chip arbeitet und mit Filtern in den Farben RGB, einmal das uns vertraute Farbbild aufnehmen kann. Aber bei dem Bild kamen ganz neue - finale Prototypen eines Ultra Schmalbandfilters mit 3,5nm im Wasserstoff (H-Alpha) und 4nm im Sauerstoff (OIII) zum Einsatz. Die Ausrüstung ist essentiell, aber ab einem bestimmten Segment kann man schon sehr gute Ergebnisse erzielen. Was ich wirklich jeder und jedem immer raten kann, ist sich intensiv mit den Bilddaten auseinanderzusetzen. Stell dir immer die Frage: Was siehst du da eigentlich in den Bilddaten? Und wer den manuellen Weg scheut, um selbst feinste Details aus jedem Bild zu kitzeln, der hat jetzt das APF-R Plugin für sekundenschnelle Ergebnisse.

PI: Wendest du APF-R auch auf anderen Fotos von dir an oder nur auf deinen Weltraumbildern?
Christoph: Ehrlich gesagt, bis ich das Plugin hatte, habe ich es zwar immer wieder auf anderen Bildern getestet, aber wegen der mangelnden Zeit kam APF-R leider nur bei ganz besonderen Bildern zum Einsatz. Mit dem Plugin sieht das jetzt natürlich anders aus. Es ist einfach genial, wie das Plugin in kürzester Zeit ungeahnte Details hervorzaubert; und das wirklich aus jedem Bild. Das es wirklich funktioniert, haben ja auch unsere zahlreichen Tests bei der Entwicklung des Plugins bewiesen.

PI: Christoph, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern.
Christoph: Ich danke euch und freue mich schon bald wieder von euch zu hören.
PI: Das werden wir ganz bestimmt!

Über folgende Links erfährst du mehr über Christoph Kaltseis und sein APF-R Verfahren:
www.cedic.at
www.cedic.at/apfr




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